Anfang des 20. Jahrhunderts begannen dann die Aktien-Börsen, ihre eigenen Indizes zu berechnen. Die Preisinformationen mussten ja nicht erst teuer eingekauft werden, sondern entstanden am eigenen Handelsplatz. Dadurch entstand für die Verlagshäuser Konkurrenz von Seiten der staatlichen oder gemeinschaftlich organisierten Wertpapierbörsen. Im Falle des Anbieters FTSE kamen beide Parteien sogar zusammen, denn FTSE wurde von der Financial Times und der Londoner Börse gegründet.
Erst später kam der Wunsch auf, mit Indizes den Erfolg des Portfolio-Managements zu messen. Vor diesem Hintergrund wurde 1986 der große Index-Berechner MSCI ins Leben gerufen, geschmiedet aus den existierenden Indizes der großen US-Fondsgesellschaft Capital International und der Investmentbank Morgan Stanley. Heute ist MSCI der größte Anbieter von Aktien-Indizes.
Zur genauen Index-Berechnung müssen zudem umfangreiche Kapitalmarkt-Daten erhoben und verwertet werden, was das Index-Geschäft schließlich zum Datengeschäft machte.
Lizenzen als Turbo im Index-Geschäft
Erst in den späten 1970-er Jahren wurden in den USA Indizes auch als investierbares Portfolio betrachtet, in Europa erst Mitte der 80-er Jahre. Statt eines teuren Fondsmanagers werden einfach Index-Daten zur Portfoliogestaltung genutzt – wie bei ETFs eben auch. Das erwies sich als sehr lukrativ für die Index-Anbieter. Die erfolgreichen Anbieter hatten stets ihre Marke und ihr Wissen geschützt, und so erwuchs aus dem Datengeschäft mit Index-Daten und Kapitalmarktinformationen ein mächtiges Lizenzgeschäft: ohne Lizenz kein passives Finanzprodukt. Da besonders bei ETFs die Lizenzgebühren fast immer an die Höhe des verwalteten Vermögen gekoppelt und ETFs weltweit auf dem Siegeszug sind, wurde das Index-Geschäft schnell enorm profitabel.Lizenz-Zahlungen sind jedoch auch fällig, wenn Sie die Indizes nur öffentlich zum Vergleich heranziehen, ihre Komponenten abrufen möchten oder sie zur Berechnung und Darstellung etwa in Factsheets nutzen. Nur die wenigsten Anbieter stellen ihre Indexdaten und besonders deren Bestandteile kostenfrei öffentlich zur Verfügung. Selbst Profis können Index-Daten über verbreitete Informationssysteme wie Bloomberg oder Reuters nur gegen gesonderte Lizenzverträge beziehen.
Am Besten können Sie diese Entwicklung anhand der Entwicklung der MSCI-Aktie nachverfolgen. Nach der Fusion mit dem Risikomanager Barra 2004 und dem Ausstieg von Morgan Stanley wurde MSCI 2007 an der Börse gelistet – seither eine Erfolgsstory. Die Firma wies 2017 einen Umsatz von 1,3 Milliarden US-Dollar aus – bei einem operativen Gewinn von sagenhaften 579 Millionen US-Dollar. Die Marktkapitalisierung liegt bei rund 13 Milliarden US-Dollar. Doch auch bei vielen Wertpapierbörsen trägt das Index-Geschäft in hohem Maße zu den Gewinnen bei.
Anleihen-Indizes – eine andere Welt
Anleihen werden nur zu einem geringen Bruchteil an der Börse gehandelt. Der meiste Handel wird zwischen den Investmentbanken getätigt. Dort entstehen also auch die Grundlagen für die Index-Berechnung: verlässliche Preise. Daher werden die meisten Anleihe-Barometer von den Banken selbst berechnet. Bekannte Beispiele: Citi, JP Morgan oder Barclays. Zunächst wurden die Index-Daten und Preis-Feeds von den Banken ihren institutionellen Kunden als Benchmark und zum Reporting zur Verfügung gestellt und als Service verstanden.Erst mit dem Aufkommen von Anleihen-Indexfonds und Anleihen-ETFs hat sich das Geschäft verändert. Auch im Anleihenbereich entwickelte sich ein sehr großes und profitables Index-Lizenzgeschäft. In Folge der Finanzkrise 2008/2009 wurden die Vorschriften für Banken allerdings so strikt, dass der Betrieb eines Index-Geschäfts unter dem Dach einer Bank immer schwieriger zu realisieren war. Die Barclays-Indizes wechselten beispielsweise 2015 zum Informationsanbieter Bloomberg. Die iBoxx-Indizes werden dagegen von einer eigenständigen Firma namens IHS MarkIT berechnet, gegründet als Konsortium zahlreicher Investmentbanken. Heute sind sie börsennotiert.
Neue Player im Index-Geschäft
Die enormen Margen und der Hunger der passiven Fondsanbieter nach neuen Indizes hat neben den bekannten Namen in der Folge zahlreiche neue Anbieter hervorgebracht. Einige kleinere Anbieter konnten mit Nischenthemen wie Robotik oder Cyber-Sicherheit jüngst spektakuläre Erfolge vorweisen, andere versuchen über die Preisgestaltung eher Anklang zu finden. Solactive zum Beispiel ist ein Indexanbieter aus Deutschland, der Indizes zum Festpreis anbietet. Einige ETF-Anbieter wie WisdomTree, VanEck, Franklin Templeton, First Trust Global Portfolios oder Ossiam haben außerdem eigene Indizes gestartet.Damit Sie nicht die Übersicht verlieren, haben wir am Ende des Artikels die wichtigsten Anbieter in einer Tabelle zusammengestellt.
Günstigere Produkte mit weniger bekannten Indizes?
Wie Sie jedoch schon gemerkt haben, verfolgen fast alle Index-Anbieter harte wirtschaftliche Interessen. Dem widerspricht eigentlich der Gedanke vom langfristigen, passiven Investieren. Denn das soll ja möglichst günstig sein, je mehr in die jeweilige Strategie investiert wird. Gemeinnützige Indizes wurden jedoch bislang noch nicht aufgelegt.Ein ETF-Anbieter muss deswegen pro Jahr zwischen 0,01 Prozent und 0,5 Prozent des Fondsvermögens an den Index-Anbieter abgeben. Je spezieller, bekannter oder exklusiver der Index, desto teurer ist in der Regel die Lizenz. Ließe sich da etwas sparen?
Die derzeit günstigsten ETFs auf Xetra mit einer Gesamtkostenquote (kurz TER) von nur 0,04 Prozent nutzen zum Beispiel Indizes von Morningstar. Der Index-Anbieter ist zwar ein renommierter Anbieter von Fonds-Research, aber weniger bekannt für seine Index-Familie. Folglich ist die Index-Lizenz günstig zu haben, und Lyxor kann seinen ETF zu Kampfpreisen anbieten.
Das funktioniert leider nicht immer: ETFs werden eigentlich nur durch großes Volumen günstiger. Das Volumen ist meist dann groß, wenn die Strategie bekannt und akzeptiert ist. Das bedeutet hohe Index-Kosten, die dann aber wegen des hohen Volumens weniger ins Gewicht fallen.
Neue Kräfte erfordern Regulierung und Qualität
Bis vor Kurzem hätten Sie Ihren eigenen Index konstruieren und an einen ETF-Anbieter lizenzieren können. Technisch lässt sich ein Aktienindex mit der Rechenkraft eines einzigen Smartphones heute problemlos sekündlich berechnen. Die Index-Formel ist kein Hexenwerk.Aber weil sich mittlerweile sehr große Vermögen nur noch am Index orientieren, hätten schon kleinste Fehler oder Manipulationen enorme Auswirkungen. Erinnern Sie sich an den Libor-Skandal? Im Jahr 2011 kam ans Licht, dass mehrere Investmentbanken den Londoner Referenzzins regelmäßig zum eigenen Vorteil manipuliert haben sollen. Riesige Schäden bei Großanlegern waren die Folge.
Dies nahm die EU-Kommission zum Anlass und hat die europäische Finanzaufsicht Esma 2013 beauftragt, Regeln für die Index-Berechnung zu entwickeln. Darunter fallen auch fast alle Indizes, die als Grundlage für ETFs dienen. Mitte 2016 wurde schließlich eine Verordnung erlassen, die seit dem Jahresbeginn 2018 gilt und bis 2020 von allen in der EU tätigen Index-Anbietern eingehalten werden muss. Die so genannten ESMA Benchmark Regulations umfassen unter anderem:
- Veröffentlichungspflicht für das Regelwerk
- Dokumentationspflicht für die zugrunde liegenden Daten
- Dokumentationspflicht für den Berechnungsprozess/Regelwerk
- Dokumentationspflicht bei Korrekturen
- jährliche externe Wirtschaftsprüfung bei besonders häufig genutzten Indizes und bei allen Rohstoff-Indizes
- Regelung der Verantwortlichkeiten Index-Berechner/Datenlieferant
- Ablauf von Kundenbeschwerden
Ein Index ist auch kein Free Lunch
Hinter einem Kapitalmarkt-Index stecken eben nicht nur Formeln, sondern auch ein sehr lukratives Geschäft. Auch wenn ETFs weitgehend automatisiert durch den Index verwaltet werden, entstehen Kosten für die Index-Lizenz. Diese Kosten zahlen die ETF-Anbieter aus der Total Expense Ratio (TER). Eine hohe TER ist also eine Indikation, dass der Index ebenfalls teuer sein kann. Das gilt besonders für die Welle von Smart Beta-ETFs und Trend-ETFs.Aufgrund der neuen Index-Regulierung in Europa werden die Kosten für Index-Lizenzen vermutlich auch nicht günstiger. Allerdings können Sie künftig von der höheren Qualität auch unbekannterer Indizes profitieren.
Tipp: Damit Sie leichter die ETFs einer Indexfamilie finden, können Sie bei justETF seit Kurzem die Indexfamilien als Suchkriterium benutzen. Wie in diesem Beispiel für die MSCI-Indexfamilie.
Auswahl bekannter Index-Familien
Indexfamilie | Anlageklasse | Eigentümer der Indexfamilie | Art des Unternehmens |
---|---|---|---|
Bloomberg Barclays | Anleihen | Bloomberg | Informations- und Datenanbieter |
DAX | Aktien | Deutsche Börse AG | Börsenbetreiber |
Dow Jones | Aktien | S&P Global | Informations- und Datenanbieter |
FTSE | Aktien | London Stock Exchange | Börsenbetreiber |
iBoxx | Anleihen | IHS MarkIT | Informations- und Datenanbieter |
JP Morgan | Anleihen | JP Morgan | Internationale Bank |
MSCI | Aktien | MSCI Inc. | Informations- und Datenanbieter |
Standard & Poors | Aktien | S&P / Dow Jones | Informations- und Datenanbieter |
STOXX | Aktien | Deutsche Börse AG | Börsenbetreiber |
Quelle: justETF Research, Dezember 2018