Allzeithoch – das Schlagwort löst sowohl Begeisterung als auch Verunsicherung aus. Für diese Verunsicherung gibt es, zusammengefasst, zwei Gründe:
Klingt Allzeithoch danach, als wäre die Spitze erreicht. Danach kann es also nur einen Absturz geben. Und
Scheint es so, als wären Aktien oder auch ganze Märkte beim Allzeithoch sehr teuer. Investieren lohnt sich also nicht – warten wir lieber auf bessere Zeiten.
Fangen wir mal mit dem ersten Punkt an. Sobald ein Index ein neues Allzeithoch erreicht, ploppen die Nachrichten der Crash-Propheten auf. Sie warnen: Die Märkte sind heiß gelaufen! Der Absturz ist nur eine Frage der Zeit!
Dass das so pauschal nicht stimmt, dafür ist das Jahr 2024 ein guter Beweis. Da hat der S&P 500 über 50-mal einen neuen Rekordstand markiert. Quasi jede Woche einen. Das erste am 19. Januar. Hättest du zu diesem Zeitpunkt verkauft (und wärst nicht wieder eingestiegen), hättest du einen Großteil der Performance verpasst. Der größte ETF auf den S&P 500 in unserer Datenbank stieg nach diesem Zeitpunkt (in Euro gerechnet) nämlich noch um rund 30 Prozent bis zum Jahresende.
Jahresperformance des S&P 500 im Jahr 2024
Quelle: justETF Research, Stand: 18.02.2025
Ein Hoch kommt selten alleine: die Verteilung von Allzeithochs
Dass sich All Time Highs so "ballen" wie im vorherigen Chart veranschaulicht, kommt tatsächlich häufiger vor. Sie verteilen sich nämlich nicht gleichmäßig über die Zeit: In Krisen – wie zum Beispiel während der Finanzkrise 2008 oder der Dotcom-Bubble 2000 bleiben sie eine ganze Weile aus – aber wenn es zu einem Bullenmarkt kommt, gibt es oft mehrere neue Rekorde in kurzer Zeit.
Im Grunde ist ein Allzeithoch sowieso nur ein Zwischenstand. Unser Wirtschaftsmodell beruht ja auf Wachstum, auf lange Sicht steigen breit gestreute ETFs also an. Und selbst in einer Welt ohne Wachstum könnte ein Welt-ETF weiter steigen. Warum das so ist, haben wir in unserem Artikel zum Thema „Kann ein ETF ewig steigen“ erklärt. Stetiges Wachstum heißt natürlich auch: Es gibt immer wieder neue Höchststände. Nur weiß halt niemand, wann der nächste kommt.
Lass dir also keine Angst einjagen. Statistisch gesehen ist es ziemlich wahrscheinlich, dass du auch in der Zeit nach einem Allzeithoch eine gute Rendite erzielen kannst: Nach Berechnungen von Analysten des Vermögensverwalters Liqid beträgt die durchschnittliche Rendite des MSCI World ein Jahr nach einem All Time High 10,6 Prozent.
Wenn du also aus Angst vor einem Absturz in so einer Situation verkaufst, läufst du Gefahr, Rendite liegenzulassen. Das gilt sogar dann, wenn es danach tatsächlich zu einer Kurskorrektur kommt: Die wenigsten schaffen es nämlich, rechtzeitig wieder einzusteigen, sondern tun das erst, wenn der Kurs schon eine ganze Ecke höher steht. Das passiert sogar den Profis, also den aktiven Fondsmanagern, deren Job es eigentlich wäre, den perfekten Zeitpunkt zu erwischen. Das zeigt unter anderem auch die SPIVA Scorecard, die fortlaufend ermittelt, wie viele aktive Fonds unter ihrer Benchmark liegen. Aktuelle Daten zeigen, dass selbst in Krisenzeiten der Markt immer noch besser abschneidet als das Gros der aktiven Fonds. Und für die Erholungsphasen danach gilt das genauso: Nach der Finanzkrise 2010 und 2011 zum Beispiel erzielten 66 beziehungsweise 88 Prozent der aktiven US-Fonds auf Large Caps schlechtere Ergebnisse als der entsprechende Index.
Dazu kommt: Käufe und Verkäufe kosten Gebühren, die deine Rendite weiter schmälern.
Bedeuten Allzeithochs automatisch eine Überbewertung?
Nachdem wir das geklärt hätten, was ist nun mit dem zweiten Punkt, also dass ein Allzeithoch bedeutet, dass Aktien oder auch eine Branche oder Region insgesamt viel zu teuer sind und ein Einstieg sich nicht (mehr) lohnt? Klingt erstmal logisch. Doch Vorsicht, denn das ist ein Trugschluss. Der reine Kurs sagt nichts darüber, ob eine Aktie oder ein Markt über- oder unterbewertet, also teuer oder billig ist. Um das herauszufinden, muss man den Kurs mit Fundamentaldaten ins Verhältnis setzen.
Das kann zum Beispiel der Gewinn pro Aktie sein – das ergibt dann das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, eine sehr typische Kennzahl, die von vielen Experten genutzt wird. Andere Optionen sind der Cash-Flow oder der Buchwert pro Aktie. Wenn es um einen Index geht, werden natürlich die einzelnen Werte zusammengefasst.
Aber: Selbst wenn die Kennzahlen sagen, dass eine Aktie oder ein Markt teuer sind, heißt das noch lange nicht, dass eine Korrektur bevorsteht. Mitte März 2024 stellten die Analysten von Morningstar fest, dass das KGV des S&P 500 bei 24,77 liegt – und damit deutlich über dem langfristigen Mittel von 19. Bis Ende des Jahres kletterte das KGV trotzdem auf über 28.
Bei den ganzen Zahlen schwirrt dir der Kopf? Keine Sorge: Wenn du langfristig investierst, ist der Einstiegszeitpunkt sowieso relativ egal. Beim MSCI World sehen wir zum Beispiel: Egal, wie schlecht der Einstiegszeitpunkt in den vergangenen Jahrzehnten war: Spätestens nach 15 Jahren hat er sich von Krisen erholt – mehr dazu findest du in unserem Artikel zum Thema Aktienrisiko. Viel wichtiger ist, dass du überhaupt anfängst, denn oft hält dich die Suche nach dem perfekten Zeitpunkt davon ab, zu investieren, und in der Zeit verpasst du im Zweifel auch Rendite. Anders gesagt: Time in the market beats timing the market!
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