Kann ein ETF ewig steigen?

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Wirtschaftswachstum vs. ETF-Rendite: Ein tieferer Einblick

Kann ein ETF ewig steigen?
 
  • Level: Für Fortgeschrittene
  • Lesedauer: 10 Minuten
Was du in diesem Artikel erfährst
Nichts ist unendlich außer dem Universum und der menschlichen Dummheit. Beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.”
So hat es Albert Einstein ausgedrückt und der Mann kannte sich ja gut aus mit dem Konzept von Unendlichkeit in Sachen Raum und Zeit. Damit wäre die Frage, ob ein ETF ewig steigen kann, eigentlich schon geklärt. Aber weil es eine sehr beliebte Frage von Anlegerinnen und Anlegern ist, versuchen wir trotzdem, eine Antwort darauf zu finden.

Solange es Inflation gibt, steigen auch die Kurse von ETFs, richtig?

Es gibt verschiedene Erklärungsansätze zu dieser Frage. Fangen wir mal mit Inflation an. Theoretisch bedeuten höhere Preise ja, dass mehr Geld bei den Unternehmen hängen bleibt. Sie sind also mehr wert und dementsprechend würde auch der Aktienkurs steigen.
Heißt: Solange es Inflation gibt, steigen auch die Kurse von ETFs, richtig?
So einfach ist es leider nicht. Zunächst mal hängt viel davon ab, ob das Unternehmen überhaupt höhere Preise durchsetzen kann. Bei Lebensmitteln geht das meistens, aber teure Produkte, die man nicht unbedingt braucht, kann man sich auch verkneifen oder den Kauf noch ein bisschen hinausschieben. Da ist es also schwer, die Preise anzuheben. Außerdem steigen wahrscheinlich auch die Kosten für Einkauf und Produktion und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen mehr Geld haben.
Und dann gibt es noch einen Faktor: Die Zentralbanken haben das Ziel, die Inflation bei maximal 2% zu halten – steigt sie darüber hinaus, werden die Zinsen erhöht. Und das wiederum wirkt sich eher negativ auf Aktienkurse aus. Tatsächlich war es in der Vergangenheit so, dass Phasen von hoher Inflation eher für niedrige Aktienrenditen gesorgt haben. Das haben die Experten des Flossbach von Storch Research Institutes analysiert.
Die Inflation wird also eher nicht dazu führen, dass ein ETF ewig steigt.

Jedes erfolgreiche Unternehmen kann prinzipiell obsolet werden

Grundsätzlich kann man erst einmal sagen: Einzelne Unternehmen sind Menschen nicht unähnlich – sie haben eine bestimmte Lebensdauer. Unternehmen gehen irgendwann unter oder werden ersetzt. Deshalb ist breite Diversifikation auch so wichtig. Dieser Grundsatz gilt sogar für einzelne Länder!
Klar, es gibt diese Betrachtungen, zum Beispiel dass der US-amerikanische Aktienmarkt in seiner Gesamtheit seit 100 Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Mit einzelnen Aussetzern, aber insgesamt ging es nur nach oben. Das klingt zwar nach einer beeindruckenden Bilanz, wenn man bedenkt, dass ein Weltkrieg und diverse Wirtschaftskrisen in diesen Zeitraum fielen. Historisch betrachtet sind 100 Jahre aber nicht sonderlich lang. Das Römische Reich der Antike zum Beispiel hatte jahrhundertelang die Vormachtstellung in Europa – und ging dann doch irgendwann unter.
Ebenso können einzelne Wirtschaftszweige oder Branchen irgendwann obsolet werden, zum Beispiel durch technologischen Fortschritt. Daher gilt für spezifische Themen- oder Länder-ETFs: In Einzelfällen können sie sehr, sehr lange steigen – aber nicht ewig.

Kann der weltweite Aktienmarkt ewig steigen?

Wie ist es aber, wenn du auf einen breit gestreuten Welt-ETF setzt? Da ist es dir ja relativ egal, wie sich einzelne Firmen, Länder und Regionen entwickeln. Im Index sind immer nur die am besten bewerteten Unternehmen enthalten. Wenn eines davon Probleme bekommt, fällt es aus dem Index und wird durch ein anderes ersetzt. Du setzt nur auf die Gewinner – und letztlich darauf, dass die Weltwirtschaft insgesamt wachsen wird. Dann lautet die Frage also: Kann der weltweite Aktienmarkt ewig steigen?
Auf den ersten Blick scheint das so zu sein. Kapitalismus beruht ja auf Wachstum – und die Unternehmen sorgen auch selbst für dieses Wachstum. Denn wenn ein Unternehmen Gewinn macht, bleibt der ja nicht einfach auf einem Konto liegen. Entweder wird er reinvestiert und sorgt so für mehr Wachstum – oder er wird an die Aktionäre wie dich ausgeschüttet, die dadurch mehr Geld zum Ausgeben haben. Also auch wieder: mehr Konsum, mehr Wachstum.
Dazu kommt, dass die Zahl der Menschen auf der Erde immer weiter wächst. Und diese Menschen werden – dank Fortschritten in der Medizin, aber auch gerade bei Lebensmitteln – immer älter. Sie brauchen Kleidung, Essen, einen Platz zum Wohnen – und Arbeit, um sich das Ganze finanzieren zu können. Wir haben also immer mehr Arbeitskräfte und Konsumenten, die die Wirtschaft vorantreiben.
Gleichzeitig sehen wir auch, dass die extreme Armut immer weiter abnimmt. Das belegt zum Beispiel eine Studie von Michalis Moatsos von der Universität Utrecht, der analysiert hat, wie sich der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, in den letzten 200 Jahren verändert hat. Anfang des 19. Jahrhunderts lebten rund 80% der Menschen von weniger als zwei Dollar pro Tag (umgerechnet, natürlich). 2018 waren es nur noch rund 8,5%.
Klar, das bedeutet noch lange nicht, dass sie sich ohne Probleme ein neues iPhone kaufen können. Aber es wird nach und nach besser – Menschen können sich mehr leisten als früher.
Dazu kommt der technologische und gesellschaftliche Fortschritt. Natürlich könnten neue Erfindungen dazu führen, dass zum Beispiel Jobs wegfallen – gerade in Sachen künstliche Intelligenz wird das ja immer wieder diskutiert. Bisher haben solche Entwicklungen die Arbeitswelt zwar verändert, aber gleichzeitig sind auch neue Jobs entstanden. Vor allem hat der Fortschritt dafür gesorgt, dass wir effizienter und produktiver arbeiten; wir stellen mehr Produkte in kürzerer Zeit her – oder bessere. Letztlich also: mehr Wachstum.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob das immer so weitergehen kann. Immerhin haben wir ja nur einen Planeten mit endlichen Ressourcen. Dieser Frage hat sich schon vor rund fünfzig Jahren eine Forschergruppe des MIT im Auftrag des Club of Rome gewidmet. Und zwar in der weltbekannten Studie “Die Grenzen des Wachstums”. Die Forscher entwickelten ein Computermodell, mit dem sie viele verschiedene Zukunftsszenarien simulieren konnten. In den meisten Szenarien führten das exponentielle Wachstum der Bevölkerung einerseits und die Ausnutzung der Ressourcen andererseits zu einem weltweiten Kollaps der Gesellschaften im Laufe des 21. Jahrhunderts. Tendenziell in der zweiten Hälfte.
Neuere Analysen bestätigen diese Erkenntnisse zumindest in Teilen, beispielsweise zwei Studien von Graham Turner 2008 und 2014. Heutzutage geht man aber weniger davon aus, dass die Ressourcen irgendwann erschöpft sind, sondern dass die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten überschritten werden, zum Beispiel dass die Umwelt zu stark verschmutzt wird.
Es gibt aber auch Kritik an den “Grenzen des Wachstums”. Insbesondere wird kritisiert, dass technologischer und gesellschaftlicher Fortschritt in der Studie zu wenig berücksichtigt wird. Der könnte dafür sorgen, dass wir weiter wachsen können, ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten. Wie zum Beispiel KI unsere Arbeitswelt und unser Miteinander verändern wird, ist noch gar nicht absehbar.
So oder so: Eine Welt ohne Wachstum erscheint schwer vorstellbar.

Ist Wirtschaftswachstum überhaupt relevant für die Frage, ob ein ETF ewig steigen kann?

Klingt vielleicht erstmal total unsinnig, aber: Die Rendite eines ETFs muss sich nicht zwangsläufig genauso entwickeln wie das Wirtschaftswachstum der jeweiligen Region, die er abdeckt.
Werfen wir dafür mal einen Blick zurück: Seit 1900 hatten wir weltweit im Durchschnitt ein Wirtschaftswachstum von etwas weniger als 3% pro Jahr. Die Renditen für Aktien lagen hingegen durchschnittlich bei etwas über 5% pro Jahr.
Ich gebe dir noch ein anderes Beispiel, wo man sehen kann, dass Wirtschaftswachstum und Aktienrenditen sich nicht unbedingt parallel entwickeln müssen: nämlich Japan.
Japan hat seit den 1990er Jahren nur ein recht geringes Wirtschaftswachstum. Wenn wir uns den ältesten ETF auf den MSCI Japan in unserer Datenbank anschauen, hat der seit seiner Auflage 2001 rund 60% Gewinn gemacht. Seit dem Tiefpunkt 2009, kurz nach der Finanzkrise, waren es sogar über 200% Rendite – pro Jahr im Schnitt ungefähr 8,5%. Das japanische BIP wuchs in dem Zeitraum aber um gerade mal 1% pro Jahr.
Wie kann das sein? Das hat Gerd Kommer ganz gut analysiert: Die Rendite hängt ja davon ab, wie sich die Gewinne eines Unternehmens entwickeln. Das BIP hingegen setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen – Unternehmensgewinne sind nur eine davon, aber die unsicherste, also risikoreichste.
Und da gilt wiederum der Grundsatz: Rendite ist die Belohnung dafür, dass du bereit bist, ein Risiko einzugehen. Mehr Risiko bedeutet höhere Belohnung.
justETF Tipp: Falls dir das noch komplett neu ist, dann schau dir unser Video zum Thema Risiko an, da erläutern wir den Zusammenhang genauer.
Es ist also nur logisch, dass sich die risikoreiche Komponente nicht vollkommen parallel zum BIP insgesamt entwickelt: Einerseits wird sich dann und wann das Risiko materialisieren und es gibt einen Einbruch – andererseits wird dieses Risiko höher belohnt. Aktienrenditen entwickeln sich auf lange Sicht also tendenziell besser als das BIP insgesamt.
Hinzu kommt: Nicht alle Unternehmen, die zum BIP beitragen, sind auch börsennotiert. Die Grundgesamtheit ist also eine andere. Außerdem können Firmen die Rendite auch verbessern, indem sie Kosten senken und dadurch ihre Gewinnmargen vergrößern. Eine weitere Option sind Aktienrückkäufe, denn dadurch steigt der Wert pro Aktie.

Unser Fazit

Also: Die beste Chance auf dauerhaftes Wachstum hast du mit einem breit gestreuten Welt-ETF. Selbst wenn wir irgendwann in einer Welt ohne Wachstum leben würden – wie auch immer die aussehen mag – könnte so ein ETF theoretisch trotzdem weiter steigen.
Zumindest solange das Konzept ETFs, Aktien und Unternehmensbeteiligungen bestehen bleibt.
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